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Ein bemerkenswerter Aufsatz

Ein bemerkenswerter Aufsatz von Dr. Rudolf Pfister, Sachbearbeiter am bayer. Landesamt für Denkmalpflege, aus dem Jahre 1941.

 

 

Über die Aufbereitung des Weißkalkes.

 

Der Weißkalk ist fast so alt wie die Mauertechnik überhaupt. Im alten Testament (Bücher Mosis) wird er schon erwähnt, bei Plinius und Vitruv ausführlich behandelt. Die historischen Techniken, mit denen die praktische Denkmalpflege. arbeiten muß, werden aus der allgemeinen Bauwirtschaft durch andere, neue Techniken und Baustoffe immer mehr verdrängt (so der Weißkalk durch die hydraulischen Kalke, die sog. „Edelputze" und besonders durch den Zement), so daß der normale Baustonhandel oft schon nicht mehr liefert, was der Denkmalpfleger braucht. Es ist deshalb an der Zeit, daß sich die Denkmalpflege von den Zufälligkeiten des Marktes unabhängig macht. Zu den Baustoffen, deren Beschaffung heute schon oft auf Schwierigkeiten stößt, gehört alter Sumpf kalk, ja Sumpfkalk überhaupt. Die Baustoffhändler und die Baumeister pflegen sich keine großen Kalkgruben mehr anzulegen, weil die heute üblichen trockenen Kalke und Zemente in Säcken leichter zu handeln, zu befördern und zu verarbeiten sind als der Zins fressende Weißkalk in der Grube. Eine praktische Denkmalpflege ohne Sumpfkalk aber ist undenkbar, ja fast darf man sagen: die letzte und höchste künstlerische Wirkung an der Wand ist ohne Sumpfkalk unerreichbar, wenn auch mit modernen Techniken manche achtbare Leistung erzielt worden sein mag. Aber kein Baustoff ergibt eine so edle Oberfläche als Weißkalk, keiner setzt freilich auch so viel Erfahrung und Hingabe voraus.

Es sollte deshalb in allen Fällen, wo es sich um Bau- oder Malerarbeiten an Baudenkmälern handelt sei es um die Restaurierung einer Kirche oder die bauliche Instandsetzung alter Stadtmauern und - türme rechtzeitig für die nötige Menge alten Sumpfkalkes gesorgt werden. Und da auf den Handel in diesem Punkte kein Verlaß ist, bleibt nichts anderes übrig, als daß die jeweiligen Bauherren sich selbst ihre Kalkgruben anlegen, und zwar rechtzeitig, d. h. mindestens zwei Jahre vor dem Verbrauch. Wo es sich um eine einmalige Arbeit und um ein einzelnes Objekt handelt, wird man die Grube, die etwa l ,50—2 m tief sein soll, in behelfsmäßiger Form herstellen und die Erdwände nur dann mit Brettern verschalen, wenn sie wegen der Beschaffenheit des Bodens von selbst nicht stehen bleiben. Obwohl der alte Bautheoretiker Johann Penther die reinen Erdgruben schätzt, weil sich dort „diejenige Nässe, die sich mit Kalk nicht verbunden, in der Erde wegschleicht", wird man doch dort, wo es sich um einen fortlaufenden Betrieb und eine größere Anzahl von Objekten handelt, wie etwa bei der Bauverwaltung einer alten Stadt mit viel historischem Besitz, entsprechend große befestigte Gruben anlegen und zwar mindestens zwei, bzw. eine Doppelgrube, von denen immer eine abgebaut wird, während die andere ruht. Es empfiehlt sich, als Grundfläche 10 qm (also etwa 4 x 2,5 m) zu wählen, weil dann jeder dm der Höhe gleich l cbm Kalk ist. Ist nur durchlässiger Sand- oder Kiesboden vorhanden, so muß die Grube mindestens mit Lehm ausgeschlagen oder aber gemauert oder betoniert werden, weil sich sonst das Wasser in der Grube nicht halten kann und der eingelagerte Kalk zu trocken wird; der Zweck des Einsumpfens wäre dann verfehlt. Der Sumpfkalk in der Grube muß vor Frost geschützt werden, deshalb muß die Grube, wenn sie sich im Freien befindet, im Winter über der Bohlenabdeckung mit einer 30—50 cm hohen Schichte von Sand oder strohigem Mist geschützt werden. Gefrorener Kalk ist als Bindemittel wertlos! Ganz besondere Sorgfalt erfordert das Ablöschen und Einsumpfen des Kalkes, Der brockige Weißkalk (auch „Stückkalk", „Ätzkalk" oder „lebender Kalk" genannt), der möglichst jung, d. h. frisch gebrannt sein soll und vor Feuchtigkeit streng zu bewahren ist, wird auf die neben oder über der Grube stehende und gegen diese etwas geneigte Kalkpfanne oder -bühne geschüttet und dann wird soviel Wasser (das völlig säurefrei sein muß) zugegossen, daß die Kalkbrocken noch aus dem Wasser hervorsehen. Erst wenn sie zu zerfallen beginnen, wird noch soviel Wasser zugegossen, als für die völlige Lösung zu Kalkmilch gerade ausreicht. Dabei muß die Masse mit der „Kalkkrücke" so lange stetig hin und her bewegt werden, bis der zuerst „kochende" Kalk ganz „still geworden" ist, wie die alten Maurer sagen. Dann wird die dicke Kalkmilch durch eine mit Schuber und Gitter versehene Öffnung in die Grube abgelassen. Alle Bestandteile, die nicht ganz gelöst sind und vom Gitter zurückgehalten werden, dürfen nicht in die Grube kommen. Wird dem Kalk beim Löschen zu wenig Wasser zugesetzt, dann „verbrennt" er und wird körnig, wird aber zuviel Wasser zugesetzt, dann „ersäuft" er und verliert viel von seiner Bindekraft. In der Grube wird die Kalkmilch zum Sumpfkalk, der um so schöner, fetter und ausgiebiger wird, je länger er in der Grube ruht. Wenn dafür gesorgt wird, daß der Kalksumpf nie ganz eintrocknet, hält sich der Kalk unbegrenzte

 

Zeit. In alten, gepflegten Kalkgruben befindet sich unter Kalken der verschiedensten Alter auch 25jähriger Sumpfkalk, aus Marmor mit Holz gebrannt, ein Leckerbissen für Freskomaler. Denn beim holzgebrannten Kalk geht man sicher, daß er keine schwefligen Bestandteile aus der Steinkohle enthält, die seinen Wert vermindern und ihn für Zwecke der Malerei untauglich machen. Die letzte 10—20 cm starke Schicht auf dem Boden der Grube soll man nicht verwenden; denn dort haben sich die auch beim besten Material und sorgfältigsten Löschen nicht ganz zu vermeidenden ungelösten Teile abgesetzt. Niemals darf man in eine halbgeleerte Grube frischen Kalk einlassen, weil sonst die sich absetzenden ungelösten Teile den alten Kalk verderben. Die Herstellung eines normalen Mauer- oder Verputzmörtels aus Sumpfkalk dürfen wir als bekannt voraussetzen, wenn auch selbst von Fachleuten heute oft zu wenig beachtet wird, daß jeder Sand ein anderes Mischungsverhältnis erfordert und daß je nach der verschiedenen Beschaffenheit des Putzgrundes der Fettgehalt des Mörtels abgestimmt werden muß, eine kleine Wissenschaft für sich, die ebenfalls heute bei den Handwerkern weitgehend verloren ist.

Die große Beliebtheit, deren sich der Zement und seine Artverwandten bei den Bauleuten heute erfreuen und die Vorteile, die er vor dem Kalk voraus hat, bestehen viel weniger in anderen Qualitäten als in der bequemen Verarbeitung und in der Fähigkeit, sehr rasch abzubinden, also im wesentlichen in Zeitersparnis, einem Faktor, der für die moderne Bautechnik und -Wirtschaft zwar von großer Bedeutung ist, im Gegensatz hierzu aber nicht für die Denkmalpflege. Dem Kalk muß man Zeit lassen. Seine größte Härte erlangt er bekanntlich erst, wenn er Jahrzehnte alt ist, ja in alten Lehrbüchern und die sind für unser Gebiet nicht die schlechtesten kann man lesen, erst nach 100 Jahren. In der Tat sind in den Mauern der Frauenkirche in München Kalkfugen festgestellt worden, die der Spitzhaue mehr Widerstand leisten, als die durch sie verbundenen Backsteine, die ebenfalls von hervorragender und heute nicht mehrgekannter Qualität waren, und an den Westtürmen des Bamberger Domes haben wir Kalkmörtel gefunden, der sich von den Sandsteinquadern eigentlich nur durch die Farbe unterschieden hat. Man darf nicht übersehen, daß ein Bindemittel auch zu hart, zu dicht und vor allem zu unelastisch sein kann, und dies trifft gerade beim sog. hochwertigen Zement häufig zu. So ist der Kalkmörtel etwa dem gebrannten Ton, aber auch dem Sandstein und gewissen Kalksteinen viel wesensverwandter und im Verhalten (besonders gegen Temperatureinflüsse) ähnlicher als der Zement. Bekannt genug ist die Erscheinung, daß dünne Zementschichten in großen Platten von ihrem Grund abplatzen, entweder weil sie einen anderen Ausdehnungskoeffizienten haben als dieser, oder aber weil sie völlig unelastisch sind und eine zu starke Dichtigkeit aufweisen. Immer ist dies z. B. der Fall bei Dachplatten oder Hohlziegeln, die mit reinem Zement vermörtelt sind, fast immer auch bei Sandstein, wobei die abplatzende Zementschale dann die oberste Schichte des weniger dichten Steines mitzureißen pflegt. Eine ausgezeichnete, früher zum selbstverständlichen Rüstzeug des Maurers gehörige, heute leider fast ganz in Vergessenheit geratene Technik ist die, den frischen Kalkputz, solange er noch etwas feucht ist, mit Kalkmilch durchzustreichen. Die sich dadurch bildende Kalk-Fresko-Haut verlängert die Haltbarkeit des Putzes um ein Vielfaches und ergibt gleichzeitig einen ausgezeichneten Grund für jeden folgenden Anstrich. Wenn man freilich eine Wetterseite mit zwar recht dickem, aber magerem Putz anwirft (weil der Kalk teurer ist als der Sand), denselben von der Sonne gründlich austrocknen läßt und dann erst einen dünnen Kalkanstrich aufbringt, der sich nur mehr ganz oberflächlich mit dem an Bindemittel ohnedies zu armen Putz verbindet, dann wäscht ihn der Schlagregen nach kurzer Zeit ab, greift den schutzlosen mageren Putz an und zerstört auch diesen. Und dann sagen die klugen Baumeister oder Maler: „Mit Kalk kann man eine Wetterseite eben nicht streichen, da muß man zu moderneren Bindern seine Zuflucht nehmen.

Sachbearbeiter: Dr. Rudolf Pfister.

 

Entnommen aus „Praktische Denkmalpflege“ Gesammelte Merkblätter des Bayer. Landesamtes für Denkmalpflege herausgegeben 1941 von Prof. Dr. Georg Lill Direktor des Bayer. Landesamtes für Denkmalpflege.